Patrik Köbele im Interview: »Deutschen Imperialismus beim Namen nennen«

junge Welt, 2. April 2014Die in Berlin erscheinende Tageszeitung »junge Welt« veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 2. April 2014 ein Interview mit dem Vorsitzenden der DKP, Patrik Köbele, das wir nachstehend dokumentieren.

Die DKP kandidiert bei den EU-Wahlen im Mai. Glauben Sie, daß Ihre Partei Abgeordnete nach Strasbourg entsenden wird?

Es wäre zwar schön, doch ehrlich gesagt glaube ich das eher nicht. Wir finden aber, daß es eine Stimme braucht, die diesen deutschen Imperialismus beim Namen nennt und die diese EU als ein imperialistisches Konstrukt entlarvt. Zudem dient die Kandidatur auch dazu, die Partei in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Damit wir überhaupt kandidieren dürfen, brauchten wir ja erst einmal 4000 Unterschriften. Und 7000 hat die Partei dann sammeln können, das finde ich schon ganz eindrucksvoll.

 

Wie waren die Reaktionen auf Ihre Kandidatur?

Überraschend positiv. Auf der Straße spürten wir kaum Antikommunismus. Nach dem EU-Parteitag der Linkspartei, den wir als einen Schritt nach rechts bewerten, haben wir auch von deren Basis viel Zustimmung für unsere Kandidatur und für unser Wahlprogramm erhalten.

Was kritisieren Sie denn am EU-Wahlprogramm der Linkspartei?

Es ist durchzogen von der Illusion, man könne die EU zu etwas Fortschrittlichem umbauen. Sie wurde aber in Konfrontation mit dem realen Sozialismus gegründet und diente immer dazu, die Interessen des Monopol- und Finanzkapitals zu vertreten. Heute steht sie unter der Führung des deutschen Imperialismus. Die Peripherie Europas wird ausgeplündert, und aus der EU wurde eine Festung gemacht, an deren Grenzen Menschen verrecken. Eine solche EU kann man nicht transformieren. Sie muß überwunden werden.

Auf dem letzten Parteitag der DKP wurden Sie in einer Kampfkandidatur zum neuen Vorsitzenden gewählt. Auch die Mehrheitsverhältnisse im Parteivorstand haben sich geändert. Wie würden Sie die Entwicklungen seitdem zusammenfassen?

Insgesamt spricht sich die Partei in ihrer Mehrheit dafür aus, daß wir selbstbewußter werden und mehr nach draußen gehen. Das zeigt sich auch in den erfolgreichen Spendensammlungen für unser Pressefest. Trotzdem gibt es auch Streit, und wir wollen die inhaltliche Diskussion fortführen.

Wie bewerten Sie die Gründung des Vereins »Marxistische Linke« innerhalb der DKP?

Ich sehe das Risiko, daß sich damit Tendenzen zur Fraktionierung verfestigen. Es gründen sich bereits Regionalstrukturen dieses Vereins. Damit läuft man Gefahr, daß man einen Parteiersatz bildet. Deswegen hatten wir am Wochenende auch die daran beteiligten Genossen zu einem Gespräch eingeladen.

Was sind die inhaltlichen Differenzen?

Es geht um den Charakter der kommunistischen Partei selbst. Die Genossinnen und Genossen aus diesem Verein meinen, es ginge nicht mehr um das Erringen einer Hegemonie des Kommunismus innerhalb der Arbeiterbewegung.Wir denken hingegen, daß das die Hauptaufgabe der kommunistischen Partei ist – weil es sonst keinen Weg zum Sozialismus gibt. Außerdem findet sich in den Gründungsdokumenten des Vereins das Wort »Stalinismus«, das wir für einen undifferenzierten Kampfbegriff halten. Und es gibt natürlich noch die Frage des Verhältnisses zur EU, die von der »Marxistischen Linken« anders bewertet wird als von uns.

Wo sehen Sie längerfristig den politischen Platz der DKP?

Die Herrschenden haben die BRD zu einem Niedriglohnland gemacht. Daher können sie in der derzeitigen Krise mit der Exportwalze Zusatzprofite erwirtschaften, die sie zum Teil auch zur Befriedung der Arbeiterklasse verwenden.

Wie lange das noch so weitergeht, ist aber ungewiß. Zumindest die Peripherie der EU ist abgegrast.

Es droht eine deutlich aggressivere Variante der Herrschaft nach innen und nach außen. Deshalb ist es notwendig, daß sich in diesem Land eine antimilitaristische Bewegung bildet und daß die antimonopolistischen Kräfte zusammengeführt werden. Das würde ich als unsere strategische Hauptaufgabe für die nächsten Jahre sehen. Natürlich verbunden mit dem, was eine kommunistische Partei immer machen muß: nämlich Klassenbewußtsein im revolutionären Sinn vermitteln.

Interview: Michael Streitberg
Erschienen am 2. April 2014 in der Tageszeitung junge Welt