Kolonialisiertes Land. Gastkommentar von Patrik Köbele zum EU-Kurs gegenüber Griechenland

Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaftsfront PAME am 15. Juli in Thessaloniki. Foto: PAME
Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaftsfront PAME am 15. Juli in Thessaloniki. Foto: PAME

Alexis Tsipras hat der räuberischen Erpressung durch die EU zugestimmt. Eine große Koalition unter Einschluss der vom Volk abgestraften »Altparteien« Pasok und Nea Dimokratia sowie Teilen des »Hoffnungsträgers« Syriza wird diesen Kurs im griechischen Parlament voraussichtlich mittragen. Zu den Eckpunkten dieser Erpressung zählen ein dramatischer Angriff auf die Kaufkraft der ohnehin verarmten Massen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer, ein Kahlschlag bei den Renten sowie die Überführung staatlichen Eigentums in einen Treuhandfonds, der weitestgehend der staatlichen Souveränität Griechenlands entzogen wird.

Vor allem die letztgenannte Maßnahme erinnert sehr an die Annexion der DDR, zumindest den ökonomischen Teil davon – falsch ist diese Parallele nicht. Die Direktiven der Erpresser werden die Arbeitslosigkeit, die Massenarmut, die soziale Verelendung in Griechenland steigern, und sie werden die Verschuldung nicht beseitigen.

Sie führen das fort, was die EU begonnen hat: Sie werfen die griechische Ökonomie, das griechische Volk dem Monopolkapital zum Fraße vor, dem Monopolkapital der starken imperialistischen Länder, vor allem Deutschlands. Aber auch den griechischen Monopolen, die entweder gefressen werden oder als Trittbrettfahrer profitieren, wobei das Los der Besitzer gefressener Monopole kein schlechtes sein muss.

Mit dieser Erpressung hat die EU ihren Charakter als imperialistisches Bündnis mit härtester Dramatik gezeigt. Gleichzeitig ist dies eine Momentaufnahme der laufenden Veränderung des Charakters der Europäischen Union hin zu einer immer deutscheren EU. Das bringt Konflikte mit sich. Die Widersprüche zwischen Frankreich, Italien und Deutschland waren deutlich. Die Widersprüche wurden zurückgestellt zugunsten der Gemeinsamkeit. Am Beispiel Griechenland wurde demonstriert: Wer gegen den Stachel löckt, der wird gezwungen, sich jeder Erpressung zu beugen.

Erpresser und Erpresster stehen niemals auf einer Stufe, das gilt auch für die griechische Regierung. Trotzdem hat die Illusion von der »Augenhöhe« zwischen schwacher Ökonomie und führenden Imperialisten und damit die Illusion von einem Ausweg in der EU den Erpressern den Weg vereinfacht und die nun drohende große Koalition im griechischen Parlament ermöglicht. Die Gefahr, dass dies zu massenhafter Frustration und Rechtsentwicklung führt, ist groß.

Zu reden ist aber auch über die Verantwortung der Fortschrittskräfte in Deutschland. Es ist nicht gelungen, das sogenannte Standortdenken zurückzudrängen und Internationalismus neu zu verankern. Eher gelingt es den Herrschenden, ihren Medien und ihren Politikern, Nationalismus zu verankern. Das zu ändern erfordert analytische Klarheit, Massenaktionen und Klassenkampf – in Griechenland, Deutschland und der EU.

Erschienen in der Tageszeitung junge Welt vom 16. Juli 2015