DKP-Landessprecher antwortet auf Artikel

Walter Listl, Bezirkssprecher der DKP Südbayern, ist mit einem auf der Homepage der DKP Augsburg veröffentlichten Artikel (siehe hier) nicht einverstanden und bat um die Veröffentlichung nachstehenden Leserbriefes. Dieser Bitte kommen wir selbstverständlich gerne nach.

 

DKP von „grobschlächtigem Reformismus“ bedroht?

Auf der Internetseite der DKP Augsburg wird in einem Bericht von Jörg Högemann über ein Seminar der DKP Augsburg Kurioses vermeldet:
„…Das sind die Reformisten, mal so, mal so. Immer können sie sich herausreden, mal nach der einen, dann wieder nach der anderen Seite.

Bei Walter Listl, DKP-Sprecher in Südbayern und isw-Mitarbeiter, zeigt sich diese Eigenart noch grobschlächtiger: »… der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit erscheint heute nicht mehr bestimmend, weil er von zahlreichen anderen Widersprüchen überwölbt, überformt wird.« Und, noch gröber: »Der Staat wurde zu einem erfolgreichen Vermittler der verschiedenen Kapitalinteressen und einer sozialen und politischen ‚Partnerschaft‘ der Hauptklassen“, also zwischen Arbeiterklasse und Kapital.« Und an anderer Stelle dann aber bei Listl: »… Dennoch bleibt der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit der grundlegende Klassenwiderspruch …« Ja eben, mal so, mal so.
Listl: »Transformation meint also einen Prozess, in dem mit dem Kampf um erreichbare Ziele sich nicht nur die Lebenssituation der Menschen verbessert, sondern sich die Menschen selbst verändern.« Also schon im Kapitalismus andere Menschen….“
Soweit der Autor.
Aber noch nicht einmal mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten gelingt es dem Autor eine Position so zu verfälschen, dass daraus der Bannfluch des Reformismus abgeleitet werden kann.
Dass der Klassenwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit von zahlreichen anderen Widersprüchen überwölbt, überformt wird, also verdeckt, überlagert und deshalb oft schwer erkennbar und Vielen verborgen bleibt ist kein grobschlächtiger Reformismus, sondern empirische Erfahrung politischer Praxis der DKP oder der Gewerkschaftsbewegung.
Man lese dazu die einschlägigen Arbeiten von Frank Deppe oder Werner Seppmann über Krise und Klassenbewusstsein oder Sabine Schiffer über die Bewusstseinsdeformationen durch die Medien. Oder man sehe sich die Schwierigkeiten an wenn es darum geht, auch nur gewerkschaftliches Bewusstsein in der Arbeiterklasse zu entwickeln.
Überall wird klar: Letztlich ist der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit der Bestimmende, er „erscheint“ aber der Mehrheit der Menschen eben nicht als solcher. Woher kämen sonst unsere Probleme?
Sehr verwundert hat mich, dass der ausgewiesene Gramsci-Kenner Högemann die Einschätzung für reformistisch hält, dass der Staat als ideeller Gesamtkapitalist in den Interessengegensätzen der Kapitalfraktionen als Vermittler auftritt und leider auch äußerst erfolgreich darin ist, trotz der Interessensgegensätzen der Hauptklassen eine soziale Partnerschaft zu propagieren. Immer zugunsten der Kapitalseite, aber halt nach wie vor relativ erfolgreich. Oder hat es das Stichwort „Sozialpartnerschaft“ nie gegeben, hinter dem Klassengegensätze verborgen oder wegdefiniert wurden?
Dass der Staat diese Funktion ausübt, ist bei Lenin wie bei Gramsci nachzulesen, und dass er das in Deutschland recht erfolgreich machte und immer noch macht, ist ein Teil der Probleme linker Strategie und Praxis heute.
Es geht nicht um ein „mal so – mal so“ wie Högemann meint, sondern darum, die unterschiedlichen Seiten eines Problems in ihrer Widersprüchlichkeit zu erfassen.
Weder die Funktion des Staates noch der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit oder beliebig andere Erscheinungen lassen sich auf eine Formel reduzieren, es sind komplexe Gebilde und Prozesse und sie in ihrer Allseitigkeit zu beschreiben, mit einer Haltung „mal so – mal so“ abzutun wird der Sache nicht gerecht.
„Also schon im Kapitalismus andere Menschen…?“ werden die „grobschlächtigen Reformisten“ geradezu amüsiert gefragt, eine typisch reformistische Illusion.
Der „Vorwurf“ ist so unbeholfen, dass es schwer fällt darauf unpolemisch zu antworten.
Ja! Es braucht sich verändernde Menschen um den Kapitalismus zu überwinden, dazu braucht es Klassenbewusstsein, Unverzagtheit, Solidarität, gemeinsames Handeln, eine Zukunftsidee oder mehrere davon, und vor allem weniger grobschlächtige Urteile über Meinungen die man nicht teilt oder nicht versteht.