Bericht vom Bildungsseminar in Augsburg: Reform, Revolution oder Transformation?

Hammer und Sichel»Wann ist denn das nächste Seminar?«, fragte eine junge Teilnehmerin kurz vor Schluss. Heiterkeit. Die Frage traf aber den Nerv. War doch fortwährend in der Diskussion bemängelt worden, die Bildung liege im Argen in der Partei. Schlecht organisiert sei sie, vor allem aber, sie gebe uns nichts, ergehe sich abstrakt im Durchforschen möglichst ferner Räume, statt durchzukneten, handgerecht, was uns der Klassenkampf abverlangt, was die Partei der Arbeiterklasse braucht, den Hauptfeind dabei immer im Blick.

 

Knapp dreißig bayerische Genossinnen und Genossen diskutierten am ersten Oktobersamstag im Augsburger Hans-Beimler-Zentrum als Gäste der örtlichen DKP-Gruppe, in Zusammenarbeit mit dem Bildungsreferat des DKP-PV, hochkompetent vertreten durch seinen Leiter, den stellvertretenden Parteivorsitzenden Hans-Peter Brenner.

Angetan während der sechsstündigen Aussprache waren die Teilnehmenden vom lockeren, trotzdem konzentrierten und anspruchsvoll handfesten Ablauf, der von Genossin Ursula Holzer aus Regensburg als Moderatorin gestaltet wurde. Ursula und Renate Münder aus München, die leider wegen Krankheit nicht dabei war, hatten konzeptionell und schriftlich gründlich vorgearbeitet.

Jede/r Teilnehmer/in erhielt ein 25-seitiges gedankliches und methodisches Kompendium, nicht zum Mitlesen, sondern zum geordneten Erinnern und Ergänzen. Nachmittags wurde in zwei Arbeitsgruppen je ein Text aus der Bündnis- und der Gewerkschaftspolitik durchgeprüft: Texte zum sogenannten Rechtspopulismus und ein Auszug aus der ver.di-Broschüre vom Mai 2013 »Fair teilen! Höhere Löhne, Steuergerechtigkeit, Sozialstaat stärken«. In Zweierteams wurde eingeschätzt, wurden Positives und Negatives auf blauen oder auf rosa Karten notiert und diese auf eine Tafel montiert für das anschließende gemeinsame Durchgehen.

Die Teilnehmenden waren ständig einbezogen, Zusammenwirken wurde praktisch gehandhabt, weg von der Frontalmanier Referat-Diskussion, wobei Ursulas Stoff-Durchnahme und Hans-Peters zeitlich knapp gehaltene zwei Vorträge anregend kontrastierten.

»Die Linke erwartet etwas von der DKP«, so H. P. Brenner einleitend, »auch und gerade nach unserem 20.Parteitag. Es geht um unseren Platz und unser Selbstverständnis.« Marx sei in aller Munde – wenigstens in den Medien des Kapitals, vom Handelsblatt bis zur Süddeutschen Zeitung, »wir aber befinden uns auf dem niedrigsten Niveau unserer Geschichte«. Dabei sei die DKP aber auch organisatorisch nicht ersetzbar, durch niemanden.

Brenners kurzer Bericht über die vierte Parteivorstandstagung diente hauptsächlich der Zurückweisung reformkommunistischer Legenden über die neue Parteiführung. Dabei wird aber gerade vom rechten Parteiflügel die Fraktionierung ausgebaut, etwa in Leo Mayers »Diskussionspapier« nach dem 2./3.März und bei einem Treffen am 15./16.Juni in geschlossener Gesellschaft mit handverlesenen TeilnehmerInnen.

Eigentliches Thema des Seminars, vorher angekündigt, war die Problemstellung Reform-Revolution. In Hans-Peters Vortrag zum Thema stand im Mittelpunkt der vormals von PDS-Ideologen wie Dieter Klein und Michael Brie und neuerdings vom Münchner isw eingespielte Ausdruck »Transformation«.

Das Transformationskonzept entstammt, so Brenner, der US-Giftküche, als sie nach dem zweiten Weltkrieg mit Einsatzstoffen für den gerade eingeläuteten Kalten Krieg experimentierte. Es war »eine bewusst gewählte ‚linke‘ Variante des Sozialdemokratismus bzw. des ‚demokratischen Sozialismus‘ zur Abgrenzung vom Revolutionskonzept der Kommunisten«.

Von Bedeutung dabei, zitiert Hans-Peter den aus der SPD kommenden Publizisten Lorenz Knorr, sei »die enorme Bedeutung der Kombination von gezieltem Antikommunismus mit einer bewussten Förderung des Reformismus« in der NATO und bei der westeuropäischen Integration. Einen »Grundsatz-Beschluss« der »Sozialistischen Internationale« von 1962 kommentierte die französische Revue Socialiste so: »Es gibt keine Unvereinbarkeit zwischen dem demokratischen Sozialismus und Europa; gekämpft wird für die allmähliche Transformation des heutigen Europa in ein demokratisches und sozialistisches Europa.« Stattfindend offenbar im Zuge von Reformen und Reförmchen.

So viel zur Herkunft und zur aufschlussreichen Vorgeschichte des Transformationskonzepts. Heute liest sich das so: Conrad Schuhler zitiert Karl Polanyi zustimmend, »… Er plädiert darin für eine neue Große Transformation; für einen Sozialismus, wo Arbeit, Grund und Boden und Geld dem Markt entzogen sind und demokratisch kontrolliert werden« (isw-Report 94, S.7) – das klingt nach Revolution im Sinn des DKP-Programms (S.28). Und dann wieder bei Schuhler: »Transformation – das Zusammenfassen des Fernziels Sozialismus mit dem Nahziel konkreter Reformen« (a.a.O., S.6) – im Widerspruch zum DKP-Programm: »Der Sozialismus kann nicht auf dem Weg von Reformen, sondern nur durch tief greifende Umgestaltungen und die revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnisse erreicht werden.« (S.28)

Das sind die Reformisten, mal so, mal so. Immer können sie sich herausreden, mal nach der einen, dann wieder nach der anderen Seite.

Bei Walter Listl, DKP-Sprecher in Südbayern und isw-Mitarbeiter, zeigt sich diese Eigenart noch grobschlächtiger: »… der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit erscheint heute nicht mehr bestimmend, weil er von zahlreichen anderen Widersprüchen überwölbt, überformt wird.« Und, noch gröber: »Der Staat wurde zu einem erfolgreichen Vermittler der verschiedenen Kapitalinteressen und einer sozialen und politischen ‚Partnerschaft‘ der Hauptklassen“, also zwischen Arbeiterklasse und Kapital.« Und an anderer Stelle dann aber bei Listl: »… Dennoch bleibt der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit der grundlegende Klassenwiderspruch …« Ja eben, mal so, mal so.

Listl: »Transformation meint also einen Prozess, in dem mit dem Kampf um erreichbare Ziele sich nicht nur die Lebenssituation der Menschen verbessert, sondern sich die Menschen selbst verändern.« Also schon im Kapitalismus andere Menschen.

Hans-Peter Brenner abschließend: »Eine Revolution ist ‚keine in die Länge gezogene Reform‘, wie Rosa Luxemburg so deutlich gegenüber Eduard Bernstein betonte. Wenn von Revolution zu reden ist, dann ist nicht ‚Reform‘ und ‚Transformation‘ gemeint. Der qualitative Unterschied kann und darf nicht wegdefiniert werden, wie Conrad Schuhler das … tut.«

Jörg Högemann


 

Zu diesem Beitrag erhielten wir einen Leserbrief von Walter Listl, Bezirkssprecher der DKP Südbayern. Wir dokumentieren diesen hier